Seit Anfang Juli kann der sogenannte „Umweltbonus“ abgerufen werden, eine Kaufprämie, die gezielt den Absatz von Elektroautos und Hybridfahrzeugen fördern soll. Eine gute Idee oder doch nur ein Lockmittel, um den Absatz für die Autoindustrie anzukurbeln?
Bis 2020 sollen eine Million Elektroautos auf Deutschlands Straßen unterwegs sein. So lautete das Ziel der Bundesregierung – und zwar ohne Subventionen oder Kaufanreize. Anfang 2016 waren es jedoch erst 25.000 Elektroautos und 130.000 Hybridfahrzeuge. Nun soll doch mit staatlichen Fördergeldern der Autokauf angekurbelt werden. Mit der neuen Kaufprämie möchte die Bundesregierung zumindest 500.000 Elektroautos auf die Straße bringen. 600 Millionen Euro gibt’s dafür, 300 Millionen Euro gehen zusätzlich in den Ausbau der notwendigen Infrastruktur, also das Ladesäulen-Netz.
Jeder soll sein eigenes haben
Mit der Kaufprämie für Elektroautos fördert der Bund erneut den individuellen Autobesitz. Somit nimmt die Anzahl der Autos auf den Straßen insgesamt stetig zu. Ein zukunftsfähiges Mobilitätskonzept sieht anders aus: Einen Motor durch einen anderen zu ersetzen, das löst nur wenige Probleme, da sich unter ungünstigen Bedingungen auch die Schadstoffbelastung nicht reduziert. Elektroautos versprechen zwar weniger Schadstoffe. Dieses Versprechen wird aber nur dann eingehalten, wenn die elektrische Energie aus Kraftwerken zur Erzeugung erneuerbarer Energie stammt. Ein Elektroauto, das mit Strom aus Braunkohle unterwegs ist, erzeugt ähnlich hohe Emissionen wie ein Auto mit Benzin- oder Dieselmotor. Die Emissionen entstehen dann einfach nur woanders.
Die Autoindustrie profitiert nicht nur direkt durch den Verkauf von Fahrzeugen. Ab 2020 dürfen die Fahrzeuge eines Herstellers nur noch 95 Gramm CO2 pro Kilometer betragen. Gemittelt über alle produzierten Modelle vom Kleinwagen bis zum Spitzenmodell. Diese Begrenzung der CO2-Emissionen, also einen weiteren Schritt hin zum Klimaschutz, begrüßt cambio durchaus.
„Supercredits“ sollen helfen

Kreative Rechnung: Mit “Supercredits” mehr spritschluckende Autos vekaufen.
Die niedrigen CO2-Werte der Elektroautos haben also auch eine hohe Bedeutung für die Autoindustrie. Und jetzt wird es spannend: Will ein Hersteller neben den emissionsarmen Elektroautos auch weiterhin PS-starke Oberklassemodelle oder SUV verkaufen, die in der Regel mehr Schadstoffe ausstoßen, muss er diese mit “sauberen” Autos kompensieren. Noch schaffen die Hersteller die Vorgaben von derzeit 130 Gramm CO2 pro Kilometer. Auch ohne Elektroautos. Je mehr E-Autos verkauft werden, desto weniger müssen die Autobauer tun, um die neue Vorgabe von 95 Gramm zu erreichen.
Damit es leichter wird, kommen „Supercredits“ ins Spiel. Elektroautos bekommen dadurch einen Hebel in der Berechnung. Weil mehr Elektroautos auf die Straßen sollen, gibt’s für ein Elektroauto eben auch mehr „Supercredits“ als für einen sparsamen Kleinwagen. Die Hersteller rechnen also die Elektroautos einfach mehrfach auf ihre CO2-Bilanz an. Ja – das geht!
Schon wenige Elektroautos können also durch diesen Multiplikationseffekt den Ausstoß der „schmutzigen“ Autos eines Herstellers ausgleichen. In Summe könnten dann mehr Fahrzeuge der Premiumklasse mit einer weniger günstigen Umweltbilanz verkauft werden.
Die Politik rechtfertigt die „Supercredits“ als Innovationsanreiz für die Autoindustrie,um mehr Elektroautos auf die Straße zu bringen. Wer aber mehr Elektroautos im Sortiment hat, könnte aber eben auch mehr Autos mit hoher Umweltbelastung bauen. Unternehmen, die sich dagegen auf sparsame Kleinwagen mit konventionellem Benzinmotor fokussieren, profitieren von diesem Hebel nicht, genausowenig, wie die Unternehmen, die sich auf den Bau von Elektroautos spezialisiert haben.
Unterm Strich bleiben also viele Fragen offen: Nicht nur, dass die Bundesregierung an der Idee des privaten Autobesitzes als Mobilitätskonzept festhält und diese weiterhin mit vielen hundert Millionen Euro subventioniert, Elektroautos sind eben nicht per se sauber und auch die „Supercredits“ hinterlassen einen schalen Beigeschmack.
(Text: Tim Bischoff / cambio CarSharing)
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